„Die Quadratur des Kreises“ Einzelausstellung in Kunststation Kleinsassen

Elisabeth Heil, Curator, 2024
„Vergewissern wir uns, auch wenn wir bewusst in un- serer Gegenwart leben, nicht hin und wieder des Be- währten, Tradierten, Vergangenen? Blicken wir nicht hin und wieder zurück, werden von Erinnerungen überwältigt, um anschließend nach vorn zu schauen, uns den eigenen Wegen zuzuwenden – den Wegen vorwärts?Wir eröffnen heute drei Ausstellungen von drei Künst- lerinnen, die sich in ihrem Werkschaffen jede auf ihre Weise mit Erlebtem, Traditionen, Symbolen, Bewah- renswertem auseinandersetzen, uns daran teilhaben lassen, faszinieren, nachdenklich stimmen und ihre und unsere Blicke und Gedanken weiter schweifen lassen.Tiefe Erlebnisse und Erinnerungen kommen und ge- hen nicht einfach so, sie hinterlassen uns nicht unbe- rührt. Es gibt immer einen Widerhall, eine Resonanz in unsere Gegenwart hinein und weiter in Zukünftiges. „Resonanz““ – so hat Simone Distler selbst ihre Aus- stellung überschrieben. Resonanz bedeutet Widerhall oder auch Mitschwingen. Was zeigt uns die Künstlerin, was hallt wider, was lässt uns mitschwingen?……
Michal Fuchs beschäftigt sich mit Traditionen und Me- taphern und Symbolen, die sich auf unser Leben be- ziehen, Gedanken anregen – über das hinausgehend, was Sprache auszudrücken vermag.Michal Fuchs wurde in Israel geboren und lebt seit 14 Jahren in Deutschland. Ihr Werkschaffen beruht auf Recherchen zu Traditionen und Symbolen, die Grup- pen gemeinsam sein können, aber auch unterschied- liche Assoziationen hervorrufen und unterschiedliche Ausdeutungen erfahren können. Insbesondere findet sie in der Pflanzenwelt Bilder bzw. Metaphern für Mig- ration, Wurzeln schlagen, Wachsen und Gedeihen und Vereinzelung in der Diaspora.Vor ein paar Jahren hat sie ihr Stipendium im sächsi- schen Kaisitz so gelegt, dass es mit der Getreideernte dort zusammenfiel. Unter anderem entstand damals die große Installation „Quadratur des Kreises“, die zentral die Ausstellung hier bestimmt: ein Ährenkranz in einer mit Erde bedeckten quadratischen Fläche. Auch jetzt ist Erntezeit, bis in den späten Abend hört man die Maschinen, die die Felder abernten. Weizen oder Getreide ist ein uraltes Symbol für das, was die Natur dem Menschen zum Leben schenkt, und für den Lebenskreislauf. Das Korn kommt in die Dunkelheit der Erde, keimt, wächst ans Tageslicht, trägt überreich Frucht, Ernte, Verarbeitung und später Aussaat folgen … Dankbar feiert man in Israel die erste Getreideernte beim Fest Schawuot, dankbar feiert man auch hierzu- lande nach Ernteende das Erntedankfest. Michal Fuchs hat nach Archivbildern recherchiert und erkannt, wie sich alte Bräuche dieser Feste ähneln.
Pflanzen sind für Michal Fuchs besondere Forschungs- objekte, gerade wenn sie symbolhaft oder mit My- then aufgeladen sind. Die Ausstellung bietet weitere Beispiele hierfür: die Kaktusfeige, die Dreimaster- blume (auch „Wandernder Jude“ genannt), die Kiefer – Pflanzen, die mit den Menschen aus anderen Welt- gegenden nach Israel immigrierten und dort gedei- hen und sich verbreiten. Gerade die Kaktusfeige, die man abschneiden und ausreißen kann und dennoch wieder aufwächst, steht bildhaft für Überlebenswillen und Geduld, ein Symbol, das Juden und Palästinenser gemeinsam gebrauchen. Aber das, was in manchen Weltgegenden sich im Freien entfalten kann, kann an anderen Plätzen der Welt nur begrenzt in einem Topf in einem Zimmer existieren.
Pflanzen als Sinnbilder menschlichen Seins, mensch- lichen Miteinanders?
Eine friedvolle Welt – wie schön wäre das. Freude am Leben, unbekümmertes Spiel, Geborgenheit in Traditi- onen, Gewalt, Zerstörung, die Suche nach Sicherheit – das alles liegt so eng beisammen. Überall. Die in den
letzten Monaten entstandenen großartigen Zeichnun- gen greifen dies Thema auf. Michal Fuchs lässt be- wusst in allen ihren Werken Interpretationen offen und will umso mehr Impulse zum eigenen Nachden- ken beim Betrachter auslösen.Die „Quadratur des Kreises“ – der Ausstellungstitel – steht auch als Begriff symbolhaft für unlösbare Prob- leme. Unlösbar ist in der Geometrie, zu einem vorge- gebenen Kreis ein Quadrat mit gleichem Flächeninhalt zu konstruieren. Und doch: Es gibt Schnittmengen, Be- rührungspunkte, Möglichkeiten der Annäherung – für die geometrische Aufgabe wie für die Aufgabe, Ge- meinsames, Verbindendes unter Kulturen und Grup- pen, ja auch unter einzelnen Menschen zu suchen, zu sehen, zu erfassen und in die Zukunft zu tragen. Michal Fuchs gibt keine Lösungen, aber wunderbare Denkanstöße..“